Follow Your Passion

Rui Paulo Moskopp • 29. Dezember 2020

„Follow Your Passion“ – als Karriereratschlag, und Wegweiser im Leben?

Im Grunde genommen sollte es doch kein schlechter Ratschlag sein, der Passion zu folgen, die Frage ist nur oftmals, wie viel von der einstigen Leidenschaft die Zeit überdauert und wie viel Zufriedenheit irgendwann verbleibt. Oder doch nicht?


Angeregt durch Professor Scott Galloway und seiner Feststellung: „Don't Follow Your Passion“ (https://tinyurl.com/y8tujv4v), habe ich mich gefragt, was ich meiner nunmehr 19-jährigen Tochter raten würde und inwieweit ich selbst meiner Passion heute folge und ob sich diese nicht auch über die Zeit verändern darf. Professor Scott Galloway erklärt, warum "Folge deiner Passion" ein Rat ist, der häufig von denen gegeben wird, die bereits reich sind und man stattdessen vielmehr etwas in der Arbeit findet sollte, dass einem Freude bereitet.


Zunächst sollte aber klar sein, was Passion bedeutet und wie schmal der Grat zu Leidenschaft ist, die auch ein Zwang bedeuten kann.


Der Duden umschreibt Passion mit „starke, leidenschaftliche Neigung zu etwas; Vorliebe, Liebhaberei“. „Passion“ im englischen wird im deutschen auch gerne mit „Leidenschaft“ übersetzt und führt gar zur Beschreibung „sich in emotionalem, vom Verstand nur schwer zu steuerndem Verhalten äußernder Gemütszustand (aus dem heraus etwas erstrebt, begehrt, ein Ziel verfolgt wird)“, oder „große Begeisterung, ausgeprägte [auf Genuss ausgerichtete] Neigung, Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, für eine bestimmte Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet“.


Einer Studie der Université du Québec Montreal zufolge (“On the Psychology of Passion: In Search of What Makes”) gaben 84% der über 500 befragten Studenten an, dass sie ein ausgeprägtes Maß an Leidenschaft für eine Aktivität in ihrem Leben haben. Leidenschaftliche Aktivitäten reichten hierbei von körperlicher Aktivität, Sport, über Musik bis hin zum schlichten aber regelmäßigen Ansehen von Filme, aber auch Lesen. Durchschnittlich 8,5 Stunden pro Woche, über viele Jahre hinweg, machen offensichtlich, dass leidenschaftliche Aktivitäten eine hohe Bedeutung für uns haben und nicht nur flüchtige Interessen darstellen. Die Studie führt aber auch zu der Erkenntnis und letztendlicher Unterscheidung zwischen harmonischer und zwanghafter Leidenschaft.


Zwischen positiver Motivation und dem Antrieb, Ziele mit Leidenschaft anzugehen und umzusetzen und der Besessenheit oder gar dem Zwang, Zielen hinterherzueilen und daran zu scheitern die hohe Ambition zu verwirklichen, bleibt ein schmaler Grat.


Wer gar zu festgelegt agiert, geleitet von der eigenen Passion oder getrieben von der Leidenschaft, verpasst mitunter die notwendige Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft zur Veränderung. Auch Ziele dürfen sich verändern und auch eine Passion oder Leidenschaft entwickelt sich weiter.


Zu erwarten, dass eine grenzenlose Motivation einen begleitet, wenn man der eigenen Leidenschaft folgt, kann gefährlich sein. Zu sehr festgelegt oder fixiert neigt man schnell dazu, Interessen außerhalb des eigenen Interessensbereichs schneller zu verlieren, insbesondere wenn es schwierig wird. Lassen wir uns durch die Passion nicht limitieren, aber folgen gerne mit Begeisterung einer Idee oder Vision und bringen diese positive Energie in unseren Alltag und in das berufliche Miteinander ein.


Die Überzeugung und die Begeisterung für etwas, ist übertragbar. Destruktivität und Antriebslosigkeit aber gleichermaßen. Um so wichtiger ist es natürlich, dass man auch und vorallem im beruflichen Umfeld Freude findet und darum sollte für die berufliche Weichenstellung, aber auch für die berufliche Neuausrichtung oder Kurskorrektur man sich immer die Frage stellen: welche Arbeit, Aufgabe bereitet mir Freude, welches Umfeld wünsche oder benötige ich dazu.


Passion und Leidenschaft sind ein Bestandteil von uns, egal wann und wo, aber nicht der Gratmesser für den Erfolg im Beruf, zudem nicht jeder die Ziele die er im und mit dem Beruf versucht zu erreichen gleichermaßen definiert. Machen wir uns nichts vor, nicht jeder geht aus Freude arbeiten und mit der Zielsetzung Dinge zu bewegen, Menschen zu begeistern, etc. – manch einer sieht es auch schlichtweg als Mittel zum Zweck und Einkommen, was vollkommen legitim ist.


Näher betrachtet und grob unterteilt in drei Gruppen, wäre da…


  • Gruppe 1 – die wie gesagt, in ihrer Tätigkeit hauptsächlich einen Job sieht, der die finanziellen Möglichkeiten schafft, für die Notwendigkeiten des Alltags und Lebens.
  • Gruppe 2 – die von Anbeginn nach Höherem strebt, eine steile Karriere plant, Einfluss und Bedeutung finden will – mitunter auch zur Steigerung des eigenen Selbstwertgefühls.


Was eint Gruppe 1 und Gruppe 2? Richtig: der Mittel zum Zweck. Der eine möchte den Kühl- oder Kleiderschrank füllen, der andere sich selbst besser fühlen, dank gesteigerter Wahrnehmung und Akzeptanz. In beiden Fällen hat der Job schlichtweg eine Aufgabe.


Eine deutlich höhere Zufriedenheit schafft aber Gruppe 3: nicht primär des Geldes wegen arbeitend, oder der Wahrnehmung und Geltung willen, sondern der Überzeugung und Berufung folgend. Und da kommt dann doch auch wieder die Leidenschaft ins Spiel, allerdings im positiven Sinne, da sie den Beruf ergänzt und daraus die Berufung schafft.


Don’t follow your passion? Es funktioniert nicht ganz ohne Passion und muss es auch gar nicht, wenn wir in einem positiven Umfeld verbinden was uns Freude bereitet und mit notwendiger, wohlgemerkt gesunder, Leidenschaft verfolgen: Beruf + Freu(n)de + Leidenschaft = Berufung.

 

“The only way to do great work is to love what you do. If you haven't found it yet, keep looking. Don't settle.” - Steve Jobs


von Rui Paulo Moskopp 30. September 2020
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